#netzlese: Einsamkeit

Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einem Bekannten, welches immer noch nachhallt. Er sprach über seine bodenlose Einsamkeit, die ihn schier verzweifeln lässt. Er ist in gewissem Sinne ein Präzedenzfall für das heutige urbane Leben: er hat knapp Tausend Facebook-Freunde, bewegt sich in großen Cliquen durch das Berliner Nachtleben und hat keinerlei Probleme, Sexualpartner*innen zu finden. Und dennoch fühlt er sich einsam weil unverbunden. Es geht also um das Phänomen, sich in Gesellschaft einsam zu fühlen.

Das kenne ich auch. Die letzte Situation, die sich mir eingeprägt hat war ein Abend bei einer guten Freundin, wo wir mit ca. acht Leuten auf Sofas saßen, Wein tranken und Snacks aßen, Musik hörten und uns unterhielten, eigentlich beste Voraussetzungen für eine schöne gemeinsame Zeit. Die Konversation bestand aber fast ausschließlich aus „ironischem Kommentieren“ – diesen Begriff hat eine andere Freundin von mir geprägt und er gefällt mir sehr gut, weil er den Meta-Haken moderner Kommunikation auf den Punkt bringt: oberflächliches Palaver mit vielen Witzchen, zumeist auf Kosten anderer, bei dem die jeweils kommentierende Person maximal wenig von sich preisgibt – so dass ich den Abend als schal empfand und mit einem Gefühl von Leere nach Hause ging.

Ein tiefes Gespräch, bei dem Austausch stattfindet und sich ein Gefühl der Verbundenheit einstellt, gelingt meines Erachtens, wenn eine Person bereit ist, sich verletzlich zu zeigen, und die anderen dies nicht ironisch kommentieren, sondern empathisch und wertschätzend darauf eingehen. Das muss keinesfalls heißen, dass es der betreffenden Person schlecht geht und die anderen helfen, es geht um gegenseitiges *Inspirieren und *Befruchten. Das geschieht, wenn eine/r sagt: bei mir ist das so und so und ich weiß nicht so recht, oder: ich erlebe etwas auf diese Art und Weise und frage mich dazu dieses und jenes… und die anderen daran anknüpfen. Ich persönlich bin ohnehin schlecht in ironischem Kommentieren und habe Partys deswegen schon verlassen. Klar passt ein tiefes Gespräch nicht in jeden Kontext, ich spüre aber, je älter ich werde, immer mehr Verlangen nach gutem Austausch und Verbundenheit, und bin daher an ‚Bekanntschaften‘ fast gar nicht mehr interessiert.

Der Anlass für diesen Text ist übrigens eine Sendung, die heute Abend auf BBC One ausgestrahlt wird, „The Age of Loneliness„. Die Beschreibung klingt super, ich werde mich reinstreamen:

Award-winning film-maker Sue Bourne believes loneliness has to be talked about. It affects so many of us in so many different ways and at so many different stages of our lives. So she went out to find people brave enough to go on camera and talk about their loneliness, from Isobel the 19-year-old student to Olive the feisty 100-year-old, Ben the divorcee, Jaye the 40-year-old singleton, Richard the 72-year-old internet-dating widower, to Martin, Iain and Christine talking about their mental health problems. Everyone talks with such remarkable honesty and bravery that you can’t help but be touched by their stories.

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