[ccc] nothing to hide

Die erste Programmversion für den 25. Chaos Communication Congress zum Thema NOTHING TO HIDE ist online.

Schade, dass es keine Antwort auf den zwiespältigen Vortrag vom letzten Jahr „SEX 2.0 – Hacking Heteronormativity/Der lange Schwanz der Social Web“ (oder so ähnlich) von Florian Bischof gibt. Wenn ich mich richtig erinnere, hat dieses Referat am vorletzten Tag gegen Mitternacht im größten Saal des bcc stattgefunden. Der Raum quoll förmlich über vor Menschen Männern. Es war womöglich der bestbesuchteste Vortrag des Kongresses – und zugleich der enttäuschendste.

Dass es um Online-Dating gehen sollte, konnte man dem Programm entnehmen. Dass es sich aber – und dies innerhalb einer Grossveranstaltung, die sich durch einen schier überwältigenden Männerüberhang auszeichnet – dann hauptsächlich um einen merkwürdig positionslosen und unaufregenden Abriss über Schwulen-Communities wie GAY ROMEO handelte, in der Frauen ganz explizit nur eine völlig zu vernachlässigende Rolle spielten, hat mich geärgert. Unter „Hacking Heteronormativity“ (<De- und Rekonstruktion von Geschlecht> hiess es noch in der Ankündigung) stelle ich mir etwas anderes vor – umso mehr in einem nahezu exklusiv männlichen Metier wie es der IT-Sektor / die Hacker-Szene / der Chaos Communication Congress nun einmal ist, Quoten hin oder her.

Aber das ist auch zugleich das Problem: Es gibt keine Frau, die darauf antworten könnte oder würde oder wollte. Die wenigen Frauen, die beim CCC aktiv sind (gibt es die HAECKSEN, einst dessen weiblicher Arm, eigentlich noch?), haben wahrscheinlich andere inhaltliche Sorgen als Heteronormativität. Und die Frauen, die zum Thema Heteronormativität etwas zugleich Frisches und Differenziertes sagen könnten, sind vermutlich nicht auf dem Congress. Und die sechs, sieben Frauen, die den Kongress besuchen UND das Thema Gender relevant finden, haben keine Lust, sich vor 600 Männer zu stellen und zu sagen: scheisse, hier sind 600 Männer. Wobei man den Veranstaltern nicht vorwerfen kann, sie bemühten sich nicht um weiblichen Input. Allein: es fehlt an Frauen. Ein wenig GENDER MAINSTREAMING würde der ganzen Sache sehr gut tun.

absageschreiben 2

Als Kontrast zum vorherigen Eintrag bringe ich ein für mein Empfinden besonders deprimierendes Absageschreiben:

Sehr geehrte Frau Hartz,

vielen Dank für Ihre Bewerbung und Ihrem Interesse an unserem Unternehmen.

Leider können wir Ihnen vor dem Hintergrund unserer Anforderungen keine offene Stelle anbieten oder in Aussicht stellen.

Für Ihren weiteren Lebensweg wünschen wir Ihnen alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

XXX

Besonders interessant ist der zweite Satz. Hier wird im Grunde gesagt: Sie bringen es einfach nicht. Ich meine: dies könnte, sollte es wirklich so gemeint sein, auch anders und zumindest charmanter ausgedrückt werden. Aber Personalstellen sind eben weder ambitionierte Wortakrobaten noch Schmeichelei-Think-Tanks…

absageschreiben 1

Absageschreiben sind immer unschön: „Sehr geehrte Frau Hartz… wir bedanken uns für Ihr Interesse an unserem Unternehmen… wir müssen Ihnen leider mitteilen… alles Gute für Ihren weiteren… Mit freundlichen Grüßen…“ Diese Standard-Floskeln, oft dargeboten in bemüht freundlicher Form, macht das Absageschreiben doppelt niederschmetternd, weil man den eigenen Zustand des „einer von Tausend“-Seins so deutlich vor Augen geführt bekommt. Ich bin eine von den vielen, die den Job nicht gekriegt hat. Und ich fragte mich natürlich: warum wohl? Warum nicht? Waren die anderen soviel besser als ich? Gab es zuviel oder zu harte Konkurrenz? Hat mir eine Schlüsselqualifikation gefehlt? War mein Anschreiben nicht originell genug? Hätte ich doch in eine noch teurere Bewerbungsmappe investieren sollen? Ist mein Foto unvorteilhaft? Oder ist es einmal mehr die fehlende spezifische Berufserfahrung? Man tappt im Dunkeln. Ein wenig Licht ins Dunkle bringen jene seltenen Absageschreiben, die einen kleinen Einblick in die andere Seite des Verfahrens gewähren. So zum Beispiel dieses:

Sehr geehrte Bewerberinnen und Beweber!

Bitte entschuldigen Sie diese unpersönliche E-mail. Uns überfordern jedoch die enorm zahlreichen Bewerbungen. Unsere Ressourcen reichen nicht aus, damit in angemessener Weise umzugehen. Daher müssen wir Ihnen leider in dieser Form für Ihre Bewerbung auf die Stelle als Programmkoordinator/in XXX bei uns und Ihr damit zum Ausdruck gebrachtes Interesse an der Arbeit des XXX e.V. herzlich danken.

Die Vielzahl der sehr interessanten und qualifizierten Bewerbungen hat uns wieder einmal überrascht. Die Auswahl aus den vielen Bewerbungen ist uns äußerst schwer gefallen. Leider konnten wir Ihnen keine Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch geben. Wir bitten dafür um Ihr Verständnis. Wir hoffen, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse, die eine solche Bewerbungsflut auslösen, bald ändern mögen. Gleichzeit sind wir unsicher, ob dies realistisch ist.

Auch ohne dass wir uns persönlich kennen lernen konnten wünsche wir Ihnen für Ihren weiteren beruflichen Werdegang viel Erfolg und alles Gute!

Mit aufrichtigen Grüßen
XXX
Geschäftsführer

an katasun

Jemand schrieb uns grade: „Warum heiratet Ihr denn nicht, dann wäre doch Euer Problem gelöst und was habt Ihr denn studiert, das Ihr keine Arbeit bekommt? Schöne Grüße, Katasun“

Bemerkung: Katasun hat seine Zeilen als Kommentar auf der über-uns-Seite hinterlassen. Für diesen Bereich möchten wir aber keine Kommentarfunktion freigeben, deshalb steht die Frage jetzt hier und die Kommentarfunktion der über-uns-seite ist deaktiviert.

Antwort: Wir haben Geistes- und Sozialwissenschaften studiert. Welches Problem meinst du, würde eine Heirat lösen – die Arbeitslosigkeit bestimmt nicht.