Jetzt doch noch: mein Eindruck vom Max-Müller-Konzert am 11. Juli 2008 im Sternfoyer der Volksbühne Berlin.
Mit Betreten des Sternfoyers fällt mein erster Blick auf Frank Behnke. Er sitzt allein an einem der Tische an der Fensterseite des Raumes. Ich freue mich heimlich, ihn zu sehen, traue mich aber nicht, auffällig hinzugucken. Gerne würde ich ihm mal sagen, dass ich ihn sehr beeindruckend fand in dem Mutter-Film von vor 3 Jahren. Ich sehe ihn manchmal zufällig in der Stadt, in einem Copyshop in Neukölln, bei Olfe an der Theke, auf dem Fahrrad. Und jedesmal würde ich mir gern ein Herz fassen, hingehen, und sagen: „Wissen Sie, Herr Behnke, ich finde Sie irgendwie toll“. Aber weil das natürlich nicht geht, halte ich die Klappe und setze mich an den Rand einer der vorderen Stuhlreihen.
Der Raum füllt sich. Nette Leute, bis auf die in der ersten Reihe, die lachen zu laut, gehen zu oft an die Bar, und sehen so aus, als würden sie alle relative Machtposten im Kultursektor bekleiden. Direkt vor mir hingegen nimmt ein äußerst reizendes Paar Platz. Vielleicht sind sie gar kein Paar, aber ein Mann und eine Frau, die sich augenscheinlich mögen. Sie küssen sich nicht oder sowas, man merkt es nur an der Art, wie sie sich anschauen und miteinander umgehen. Beide sind apart gekleidet, vor allem die Frau, und ganz kurz kommt es mir in den Sinn, ob das vielleicht die Eltern des Vortragenden… aber nein, dafür sind sie zu jung.
Die Bühne besteht aus einem Hocker und einem Notenständer, einem Tisch mit einem CD-Player und Boxen. Mit Verzögerung erscheint der Meister. Er steigt eher beiläufig die Treppe herunter, drückt unten auf Play und verzieht sich wieder. Eine leicht pathetische Soundschleife besetzt die leere Bühne und dreht sich gemächlich im Kreise. Dann irgendwann Stille. Dann Max Müller. Applaus. Er nimmt auf dem Hocker Platz und das Konzert beginnt.
Sein musikalischer Approach an diesem Abend ist schnell beschrieben: den frischgebrannten Rohling mit dem aktuellen Albums ins Gerät gesteckt, Play gepresst, auf den Einsatz gewartet – und: live drübergesungen. Er hat sich noch nicht mal die Mühe gemacht, die Spur mit der Stimme rauszunehmen. Er singt einfach über sich drüber. Das muss man sich erstmal trauen. Und das traut sich vielleicht nur Max Müller.
Die Musik als solche haut mich nicht vom Hocker. Für die Musik braucht er Mutter. (Naja, ihr letztes Konzert im Festsaal vor einem halben Jahr war très bref und nur so semi-famos, aber was Mutter können… wissen die, die es wissen) Solo haut Max Müller nicht die ganzen großen Würfe raus, also jetzt streng musikalisch gesehen, das war schon vor der Veröffentlichung des aktuellen Albums „Die Nostalgie…“ klar. Aber seine Texte sind enorm. Immer noch enorm. Und seine Performancekraft an diesem Abends ist gewaltig.
Die CD springt und leiert, aber egal. Herr Müller bricht mehrmals ab und verpasst insgesamt schon recht oft den Einsatz, doch egal. Mach mal lauter, Tom, ihr habt ja Zeit, oder – und weiter geht es. Und da vorne sitzt ein Mensch, der sich mit seinen Liedern krümmt, wenn er über spätkapitalistische Raffgier, Entfremdung im Digitaldunst und die Alkis an der Ecke singt. Die Worte brechen schonmal aus ihm heraus wie die Füllung aus einem Zahn. Im Sich-winden zu den Worten und im Schreien der Zeilen „ich mag dich und du magst mich“ fasst er karg eines dieser letzten Dinge, die Ambivalenz der Liebe eben, zusammen. Text und Musik krachen wie Felsbrocken auf uns herunter. Ja, Pathos, aber es fährt mir durch Mark und Bein und ergreift mich ganz außerordentlich. „Deranged“ fühle ich mich nach dem Konzert, im besten Sinne.
> Der einzige Konzertbericht, den ich finden konnte, liegt bei intro.de
> Das Bild zum obigen Ausschnitt stammt von whatssofunnyabout
> Zwei tolle Fotos von Max Müller gibt es bei Kerstin Schlitter