#fassbinder: Schlafen kann ich wenn ich tot bin

Fassbinder Jetzt im Gropiusbau. Erstaunlichste Erkenntnis des Ausstellungsbesuchs: meine Eltern sind in der Lage, jeden der im Kinoraum der Ausstellung gezeigten ca. fünfminütigen Fassbinder-Filmausschnitte sofort zu erkennen und den Film zu benennen. Ich bin beeindruckt. Die Ausstellung hat genau die richtige Größe. Nicht zuviel Zeug, nicht zu viele Räume, nicht zuviel intellektuelle Ambition. Das Ganze findet im 2. OG des Gropiusbaus statt. fassbinderFür 9€ ist man dabei. Es ist Montag Nachmittag und es ist angenehm leer, das Publikum international.

Das Plakat ist schön gemacht, das Foto darauf trifft RWF ganz gut. Mit Kippe im Schnubbimund und im kurzärmeligen Karohemd schön mit rauslukender Wampe irgendwo zwischen Sexiness und Verwahrlosung. Gibts für 5 Schleifen im Museumsshop. Meine Mutter hat sich eins gekauft. Find ick jut.

Mein Highlight ist der Raum mit den Kostümen. Da stehen Originalroben der Kostümbildnerin Barbara Baum, von Lola bis Effi Briest, von Lili Marleen bis Maria Braun. Der Wahnsinn aber ist das Kleid, das Jeanne Moreau in ‚Querelle‘ trägt während sie „Each man kills the thing he loves“ singt: Enganliegend, bodenlang, hochgeschlossen, dunkelschimmernd, aus einem semintransparenten Hauch von einem Leoparden-Spitzen-Stoff gefertigt, Brust und Rücken umschmeichelt ein großer V-Kragen aus opulenten schwarzgoldenen Pfauenfedern, über dem Dekolleté liegt ein zarter Netzstoff, der mit winzigen glitzernden goldenen Perlen bestickt ist. Wenn es jetzt ein Foto gäbe, dit wäre ne Wolke. Ich hab aber keins. Und im Film sieht man es nicht richtig. Jedenfalls: Ein Kleid zum Niederknien. Extravaganza und Suggestion. So wie es da hängt, ist es allerdings für Kleidergröße 34 oder kleiner gefertigt worden. Selbst wenn man dürfte, anprobieren könnte ich es nicht. Auch wenn ich sehr gerne würde!Wong_04

Ganz gut gefielen mir die Arbeiten von Ming Wong zu Fassbinder. Er benutzt Angst essen Seele auf als generellen Kommentar zur Finanzkrise. Auf einem Foto posiert er gleichzeitig als Emmi und als Ali. Anachronistisch wirken die Stücke aus Fassbinders Privatbesitz, Relikte einer vergangenen Zeit, seine kackbraune veränderbare Riesen-Sofa-Design-Landschaft von de Sede (darauf darf man platznehmen um die Diashow zu gucken), sein Bayern-München-Trikot und seine schwarze Lederjacke hängen an der Wand. Seine VCR-Filmsammlung samt gigantisch großem Abspielgerät von Philips und der schuhkartongroße Kassettenrekorder stehen wie sperrige unzeitgemäße Klötze im Raum. Einzig sein Fahrrad könnte man sich auch auf der Schulter von any given Berlin-Touri-Hipster vorstellen. Oder halt an der Wand von Freunde von Freunden.

Flankierend gibt es eine Filmreihe im Arsenal. Jeden Montag um 19:30 läuft, innerhalb seines Oeuvres chronologisch voranschreitend, ein Fassbinder. Ich denke ich werde die Chance nutzen, um ‚Martha‘ nochmals zu sehen. S C H L E I M!

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